Hypertonie

Mit Hochdruck gegen PatientInnen

Zu hoher Blutdruck kann ernsthafte Krankheiten verursachen. Das ist unstrittig. Aber was ist zu hoch? In einem zweifelhaften Verfahren senkte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Wert, der als behandlungsbedürftig gilt. Jetzt ziehen auch deutsche Fachgesellschaften nach — zum Schaden älterer Menschen.

Die Grenzwerte des behandlungsbedürftigen Bluthochdruck wurden von der WHO für alle Altersgruppen 1999 und in Folge auch von der deutschen Hypertoniegesellschaft von 160/95 mm Hg auf 140/90 mm Hg für alle Altergruppen abgesenkt. Als optimal in allen Altersgruppen gelten seitdem Werte bis 120/80 mm. Hg und als normal Werte bis 130/85 mm Hg. Bis 1999 gab für verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Grenzwerte.

WHO unter Industrieeinfluss

Die von der WHO berufenen ExpertInnen standen zu einem Großteil der Pharmaindustrie sehr nahe und diese sponserte großzügig und im eigenen Interesse die Treffen, die zu einer für die Industrie gewinnträchtigen Absenkung der Richtwerte führten. Bayer und Astra nahmen besonders großen Einfluss. Astra finanzierte sogar die Pressekonferenz am 4.2.1999 in London, auf der die ExpertInnenkommission ihre Empfehlung vorstellte. Die WHO distanzierte sich zwar am 4.2.1999 von den Empfehlungen der industrieabhängigen ExpertInnen, um dann aber genau einen Tag später zu erklären, dass sie die Empfehlungen umsetzen würde und nichts daran zu kritisieren hätte. Die Hypothesen von ExpertInnen, die zur Absenkung der Werte führten, wurden nie in der Wirklichkeit überprüft. In unabhängigen Studien konnte kein Absinken der Sterblichkeit, des Herzinfarkt- oder des Schlaganfallrisikos belegt werden, obwohl gerade dies als Begründung für die neuen Richtlinien angeführt wird.

In Folge der neuen Grenzwerte leidet etwa die Hälfte der über 60-jährigen in Industrieländern unter hohem und damit behandlungsbedürftigem Bluthochdruck. Der Gewinner dieser Änderung ist die Pharmaindustrie, denn für sie entstand durch die Neudefinition ein mehr als lukrativer Markt.

Der Teufel und der Belzebub

Die Definition der WHO weist sogar Fehler auf, die älteren und dementen PatientInnen gesundheitlich nicht nutzen, sondern schaden können, werden sie auf Grund der neuen Richtlinien therapiert: Besonders die Optimalwerte von bis zu 120/80 mm Hg sind für Personen über 60 falsch. Ein systolischer Blutdruck unter 130 mm Hg kann für diesen Personenkreis keine optimale geistige Leistungsfähigkeit garantieren, da es zu einer Minderdurchblutung des Gehirns kommen kann. Bei Personen über 75 Jahren birgt ein niedrigerer Blutdruck sogar das Risiko, dass diese Demenzen entwickeln. Demente Personen weisen bei einem niedrigeren Blutdruck eine um das 1,8-fach erhöhte Sterblichkeit auf, bei einem diastolischen Blutdruck von unter 70 mm Hg ist die Sterblichkeit um das 2,1-fache erhöht. Diesen Patientinnen sackt beim Aufstehen meist der Blutdruck. ab, was zu einer Verminderung der Hirndurchblutung im Stirnbereich führt. Doch nicht nur bei älteren dementen Personen birgt ein zu niedriger Blutdruck Gefahren, sondern auch bei gesunden Älteren wird durch einen niedrigen Blutdruck die geistige Leistungsfähigkeit gestört und hiervon sind immerhin 4-6% der über 60-jährigen betroffen.

Für ältere Personen muss die Definition des optimalen und des Bluthochdrucks geändert werden. Es ist völlig unverständlich, warum die WHO die frühere altersabhängige Definition des therapiebedürftigen Bluthochdrucks und altersabhängige Normal- und Optimalwerte aufgab. Zum Wohl der älteren Patientinnen jedenfalls nicht! (CF)

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